Nirgends zuhause als in der Kunst – Autonomie und Wohnungslosigkeit

Promotionsprojekt

Die zentrale Frage der Arbeit lautet, ob künstlerische Positionen als autonom gelten können, obwohl sie sich mit einem der härtesten sozialen Probleme befassen – der Wohnungslosigkeit. Was zeichnet die künstlerischen Mittel und Wege aus, dass sie dabei nicht fremdbestimmt und eingeschränkt werden, sondern an Autonomie mitunter noch hinzugewinnen? Können sich solche Positionen gegen aktuell vorherrschende Tendenzen behaupten – auf der einen Seite gegen Diskurse post-autonomer Kunst samt ihrer Marktaffinität, auf der anderen Seite gegen Kurator*innen-Kunst und deren Instrumentalisierung zu politischen Zwecken? Warum befassen sich die ausgewählten Künstler*innen überhaupt mit Wohnungslosigkeit? Warum setzen sie sich dabei derartigen Schwierigkeiten und Risiken aus? Was treibt sie an, so radikal und rigoros zu agieren?

Hauptgegenstand der Arbeit ist eine Auswahl künstlerischer Positionen, die allesamt der zeitgenössischen Kunst zugerechnet werden können, grob gefasst dem Zeitraum seit dem zweiten Weltkrieg. Hinsichtlich ihrer Entstehungskontexte, Interessen und Ausdrucksweisen verhalten sich fast alle Positionen sehr heterogen zueinander. Was sie verbindet, ist ihre Auseinandersetzung mit dem Problem der Wohnungslosigkeit. Auf irgendeine Weise ist jede Position selbst davon betroffen.

Das Vorgehen setzt primär auf genaue Einzelbetrachtungen. Dabei wird deutlich, dass sich die betreffenden Werke gegenüber den nahe liegenden Einordnungen sperren. Als klassisch autonom können sie nicht gelten, da sie sich einer klar umrissenen sozialen Problematik annehmen. Die Einordnung als post-autonom funktioniert jedoch ebenfalls nicht, weil das Moment der Selbstbestimmung jeweils offenkundig im Zentrum steht. Und auch das Register des künstlerischen Aktivismus trifft die Dinge nicht ausreichend, nachdem zu viele unterschiedliche, mithin widersprüchliche Deutungen möglich sind. Vor diesem Hintergrund wird die Frage nach einem erweiterten Verständnis autonomer Kunst notwendig. In dieser Richtung liegen die größten Schnittmengen vor.

Der Weg, auf dem sich diese Arbeit befindet, ist folglich ein interdisziplinärer. In der Hauptsache begegnen sich drei unterschiedliche Praktiken: künstlerische, kunstwissenschaftliche und sozialwissenschaftliche. Das Ziel dabei ist es, herauszuarbeiten, inwiefern es im Kontext zeitgenössischer Kunst Formen von Arbeiten und Arbeitsweisen gibt, die sich in der Hauptsache selbst bestimmen. Und deren Selbstbestimmung auch dann das dominierende Element bildet, wenn ein sozial schwerwiegendes Problem verhandelt wird. So dass es jenseits von post-autonomer Produktvermarktung und kuratierter Thesenbebilderung ein drittes künstlerisches Feld gibt, in dem die Ansprüche autonomer Kunst in einem erweiterten Sinne fortbestehen.

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